Klassohn: Landeskirche hat sich als beweglich und wetterfest bewährt
– Die Herbsttagung der anhaltischen Landessynode hat am Freitag mit einem Gottesdienst in der Roßlauer Marienkirche begonnen. Die Predigt hielt Kreisoberpfarrer Jürgen Tobies. In seinem Bericht vor dem Kirchenparlament gab Kirchenpräsident Helge Klassohn, der zum Jahresende in den Ruhestand geht, anschließend in der Anhaltischen Diakonissenanstalt Dessau einen Überblick über die Entwicklung der anhaltischen Kirche seit der Wende und benannte Perspektiven für deren Zukunft.
„Ich denke, dass unsere anhaltische Landeskirche sich nicht als großer ‚Tanker‘, wohl aber als kleines, flach gehendes Küstenschiff bewährt hat, das beweglich und wetterfest mit einer guten Mannschaft schnell manchen neuen Hafen erreichen konnte“, sagte der Kirchenpräsident. Am Freitagnachmittag steht neben der Diskussion über den Haushalt 2009 die Wahl eines neuen Kirchenpräsidenten und der übrigen Mitglieder des Landeskirchenrates auf der Tagesordnung. „Unsere Landeskirche mit ihrem Prinzip der starken Basis und der transparenten Leitung, die sich um Verständnis und Kommunikation zu bemühen hat, hat ihre Chancen wahrgenommen“, betonte Klassohn. „Ich freue mich darüber, dass das Perspektivpapier der Landessynode hier weitere Schritte vorzeichnet, die den bisherigen Weg nicht abbrechen, sondern weiterführen.“ Diskussionen und ein Beschluss zu dem von einer Perspektivkommission vorgelegten Eckpunktepapier sind für den morgigen Sonnabend vorgesehen. -- Mission Klassohn unterstrich den missionarischen Auftrag der anhaltischen Kirche und würdigte dabei die von der Synode im Frühjahr 2008 beschlossene Missionsdekade: „Auf jeden Fall hat eine Kirche mit ‚missionarischen Selbstverständnis‘ die Absicht, anderen Menschen die Begegnung mit dem Evangelium zu ermöglichen und sie im offenen und einladenden Dialog für Jesus Christus und für seine Nachfolge zu gewinnen.“ Mission ziele auf freie Zustimmung und verzichte auf Zwang und Indoktrination. „Wenn die anhaltische Landeskirche ihr Kirchengebiet als ‚Missionsgebiet‘ wahrnimmt, sind die Adressaten ihrer Mission sowohl die getauften Ausgetretenen als auch die immer schon Religionslosen, ebenso wie die distanzierten ‚treuen‘ Mitglieder und nicht zuletzt die, die im Glauben unsicher geworden sind und Stärkung und für ein vertieftes Glaubensverständnis erwarten.“ -- Strukturen Klassohn gab weiter seiner Überzeugung Ausdruck, „dass die Evangelische Landeskirche Anhalts als eine direkt aus der Reformation hervorgegangene Landeskirche, stets in einer Mittellage mit weit größeren Nachbarn lebend, es gelernt hat, eine den Menschen nahe, einfache und in ihren Ansprüchen bescheidene Kirche zu sein“. Die Einfachheit und Unaufwendigkeit der Kirchenleitung und der kirchlichen Verwaltung sowie eine bewusste Nähe zwischen der Gemeindebasis und der zentralen Leitung werde auch in Zukunft eine Hilfe sein im missionarischen Bemühen. Mit Blick auf Diskussionen über die Größe der Landeskirche sagte Klassohn, große Mitgliederzahlen ließen nicht selbstverständlich auf „großen Glauben“ schließen und kleine Zahlen hätten in der Perspektive des Reiches Gottes durchaus die Verheißung des Wachstums und einer großen geistlichen Ernte. „Die Erfahrung der letzten 14 Jahre hat mich gelehrt, nicht nur auf die Zahlen, sondern auch mit Dankbarkeit auf den Mut unserer Gemeindeglieder, auf ihre Glaubenstärke und auf das zu schauen, was uns bei der Erfüllung unseres Auftrages gelungen ist. Und das ist nicht wenig.“ Auch halte er es nicht für ausgemacht, „dass wir durch einen Anschluss an größere landeskirchliche Strukturen unsere Aufgaben hier in Anhalt auftragsgemäßer und menschengemäßer erfüllen würden“. Der Fusionsprozess zwischen der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen, „zu dessen Erfolg wir gratulieren“, habe gezeigt, welchen ungeheuren personellen und substantiellen Aufwand ein solcher Prozess erfordere. „Wir wollen eine Kirche nahe bei den Menschen dieser Region sein und werden dafür meines Erachtens weiter gebraucht. Auf jeden Fall sollte die Evangelische Landeskirche Anhalts als eine der ersten Reformationskirchen Deutschlands die Möglichkeit haben, das Lutherjubiläum im Jahr 2017 mit Freude mitfeiern zu können und nicht nur von Struktur- und Rechtsfragen in Atem gehalten werden.“ Anhalt werde weiter die Kooperation mit seinen Nachbarkirchen suchen, die insbesondere mit der benachbarten Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland schon weit ausgebaut sei. Tiefgehende Veränderungen der anhaltischen Kirchenverfassung, so Klassohn, halte er nicht für nötig, doch wäre im Hinblick auf die Außenwirkung, aber auch die geistliche Leitung der Landeskirchengemeinde eine deutlichere Profilierung des Kirchenpräsidentenamtes als geistliches Leitungsamt zu wünschen. -- Geistliche Erneuerung in den Gemeinden Zugleich forderte Klassohn innerhalb der Landeskirche „eine neue Kultur der Solidarität“ zwischen allen haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Die geistliche Erneuerung von Kirche und Gemeinden müsse dabei stets auf Jesus Christus als Zentrum hin ausgerichtet sein. Eine notwendige „Konzentration“ der Arbeit bedeute nicht zuerst strukturelle Reduzierung und Rückzug aus der Fläche, sondern Intensivierung des geistlichen Lebens im Hören auf das Evangelium, im Leben mit der Bibel und im Gebet, dem Leben aus der Taufe und mit der Feier des Heiligen Abendmahls. Zentrale Bedeutung, sagte der Kirchenpräsident, hätten der Gottesdienst und seine Weiterentwicklung. „Wichtig wäre auch, eine ‚Kultur der Freude am Gottesdienst‘ zu entwickeln. Dazu gehörte wohl auch eine ‚Kultur der Wertschätzung‘ für die Arbeit anderer. Die Zusammenarbeit für Kirchenmusiker und Theologen sollte in ihren Chancen und Möglichkeiten immer wieder neu entdeckt werden. Geistliche Tiefe, theologischer Inhaltsreichtum, existenzielle Betroffenheit müssen einem Gottesdienst und auch einer Predigt abzuspüren sein.“ Klassohn hob in seiner Rede die Bedeutung der Regionalisierung für die Arbeit der Kirchengemeinden hervor. „Wir sollten die Regionalisierung weiter ausbauen im Sinne einer entlastenden und flexiblen Kooperation bis hin zur zukünftigen Bildung von regionalen Gemeinden. Wir werden uns auf ein neues Bild von Kirche und Gemeinde einstellen, das eine beteiligungsoffene, missionarische Gemeindekirche auf dem Wege zu den Menschen zeigt. Der alte Satz: ‚Wo der Pfarrer ist, da ist die Kirche‘, wird in Zukunft bei der Vielfalt der verschiedenen Formen und Lebensweisen von Gemeinden und Kirche nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Wir werden die Präsenz der Kirche und Gemeinde am Ort weniger an der Residenz des Pfarrers oder der Pfarrerin als vielmehr am christlichen Gemeindeleben vor Ort, in der Region und im Lande festmachen.“ Der Kirchenpräsident sprach sich dafür aus, die Gemeinden finanziell noch weiter zu stärken und betonte „die Notwendigkeit für einen horizontalen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden, so schwierig das auch immer sein mag“. -- Gesellschaftliche Verantwortung Klassohn hob weiter die Verantwortung der Evangelischen Landeskirche Anhalts als engagierte Anwältin für Frieden und soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung hervor. „Der befreite Markt konnte weder den Naturverbrauch auf einem zuträglichen Niveau halten, noch eine faire Verteilung der Güter unter den Marktteilnehmern und in den Gesellschaften herstellen. Er hat sich als blind für die Sache der Ökologie wie auch der Gerechtigkeit erwiesen. Deshalb ist es die Aufgabe einer wertorientierten, sozial und ökologisch engagierten Politik hierfür die Regeln zu setzen. Hier geht Gemeinwohl vor Eigennutz, Gemeinwohl vor Markt! Wir halten fest an dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft.“ Eine besondere Aufgabe auch für die Zukunft sei das Engagement der Landeskirche für die möglichst naturnahe und ökologische nachhaltige Erhaltung der Elbe. Dessau-Roßlau, 14. November 2008