Gemeinden erinnern an Pogromnacht
Aus den Gemeinden: Andachten und Gedenkveranstaltungen
– Mit Gebeten und Gedenkveranstaltungen erinnern Kirchengemeinden in Anhalt gemeinsam mit Kommunen und jüdischen Gemeinden an die Pogromnacht vor 85 Jahren. Am 9. November 1938 wurden unter Federführung der Nazi-Diktatur auch in Anhalt Juden getötet, verletzt und verschleppt. Deutschlandweit wurden 1.400 Synagogen niedergebrannt, jüdische Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen verwüstet.
In Anhalt blieben 1938 nur die Synagogen in Gröbzig und Wörlitz erhalten, dort gab es jedoch schon lange keine Gemeinden mehr. Die Synagogen in Zerbst und Coswig, Dessau und Jeßnitz, Köthen, Bernburg und Sandersleben wurden geplündert und niedergebrannt. Die jüdischen Gemeinden wurden vernichtet. Der letzte anhaltische Landesrabbiner, Dr. Isidor Walter, kam gemeinsam mit seiner Frau 1943 im KZ Theresienstadt ums Leben. Heute gibt es wieder ein reges jüdisches Leben in Deutschland. Neue Gemeinden gibt es seit etwa 30 Jahren auch im Osten Deutschlands. An der Askanischen Straße in Dessau wurde Ende Oktober die neue Weill-Synagoge eingeweiht.
Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Reichspogromnacht im Überblick
- Ballenstedt, Gedenkstätte Jüdischer Friedhof (Hoymer Straße)
- 9.11., 11.00 Uhr
- Gedenken mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Ballenstedt und der Kirchengemeinden sowie Schülerinnen und Schülern des Wolterstorff-Gymnasiums
- Bernburg, Ort der ehemaligen Synagoge (Buschweg)
- 09.11., 16.00 Uhr
- Gedenken mit Kirchengemeinden und der Stadt
- Dessau-Roßlau, Stele Askanische Straße / Kantorstraße
- 9.11., 15.30 Uhr
- mit Oberbürgermeister Dr. Robert Reck, Landesrabbiner Daniel Fabian sowie Vertretern der Jüdischen Gemeinde Dessau und der Dessauer Kirchengemeinden
- 16.15 Uhr ökumenisches Friedensgebet an der Friedensglocke (Markt / Platz der Deutschen Einheit) zur Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989
- Harzgerode, ehem. Jüdischer Friedhof (Neue Straße, Ausfahrt Richtung Siptenfelde)
- 9.11., 14 Uhr
- Gedenken der Kirchengemeinde mit der Stadt Harzgerode und der Gemeinschaftsschule Harzgerode
- Jeßnitz, ehem. Jüdischer Friedhof (Schloßstraße, auf der rechten Seite hinter dem kommunalen Friedhof)
- 9.11., 15 Uhr
- Gedenken mit Vertreterinnen und Vertretern der Ev. Kirchengemeinde Jeßnitz, der Stadt Raguhn-Jeßnitz, des Heimatvereins Jeßnitz sowie Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule Raguhn
- Köthen, ehem. Synagoge (Burgstraße)
- 9.11., 17 Uhr
- Gedenkveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köthen
- Wörlitz, Denkmal / Gedenkstätte Jüdischer Friedhof (Förstergasse)
- 9.11., 16 Uhr
- Gedenken von Kirchengemeinde und Kommune, Andacht mit Pfarrer i. R. Christoph Werner
- Zerbst, Gegendenkmal zur Schmähskulptur der „Judensau“ an der Nicolairuine (Schleibank)
- 9.11., 15 Uhr
- Gedenken von Kirchengemeinde und Stadt
Radegast erinnert
Gemeinsam erinnern die Stadt Südliches Anhalt, die Stadt Radegast, das Museum Synagoge Gröbzig und die Evangelische Kirchengemeinde Radegast/Zehbitz am 9. November um 17.00 Uhr im Friedhofspark Radegast an die frühere jüdische Gemeinde in Radegast. Von 1753 bis 1891 gab es in der Kleinstadt eine jüdische Gemeinde. Die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen haben knapp 150 Jahre lang das Stadtbild Radegast mitgeprägt. Sie waren hauptsächlich als Händler tätig, weil Radegast als Marktflecken regelmäßig Jahr- und Viehmärkte abhalten durfte. Es gab eine Synagoge und einen Friedhof. Vom jüdischen Leben sind heute keine Spuren mehr in der Stadt zu finden. 1891 starb der letzte jüdische Mitbürger in Radegast. Damit war die jüdische Gemeinde verschwunden. Namen der Radegaster Jüdinnen und Juden finden sich jedoch auf Todeslisten der Konzentrationslager der NS-Zeit wieder.
Zum Gedenken an die Zeit der jüdischen Gemeinde in Radegast wird eine Gedenktafel der Öffentlichkeit übergeben und im Radegaster Friedhofspark an die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen erinnern.
Gedenken in Sandersleben
Am 9. November, 15 Uhr, wird in Sandersleben der neue Gedenkplatz an der ehemaligen Synagoge in Sandersleben eingeweiht. Dazu wird auch ein Gedenkstein enthüllt. Beteiligt sind u. a. Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums Hettstedt mit Religionslehrerin Ines Voigt, der Staatssekretär für Kultur in der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, Dr. Sebastian Putz, der Staatssekretär im Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt, Klaus Zimmermann, die Bürgermeisterin der Verwaltungsgemeinschaft Arnstein, Janet Klaus sowie die Bürgermeisterin des Ortes Sandersleben, Nina Stähle.
Eine jüdische Gemeinde gab es in Sandersleben seit Mitte des 17. Jahrhunderts. 1795 waren 10 Prozent der Bürgerschaft Jüdinnen und Juden. Namhafte jüdische Gelehrte wirkten in Sandersleben. Eine erste Synagoge wurde Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut, ein Nachfolgebau konnte mit Unterstützung Herzog Leopold Friedrich von Anhalt-Dessau 1830 eingeweiht werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der einst mehr als 180 Mitglieder zählenden Gemeinde stark zurück. In der NS-Zeit waren von der einst blühenden Gemeinde nur noch wenige Personen übriggeblieben. Die Gemeinde war verarmt. Das mehr und mehr baufällig gewordene Synagogengebäude konnte dank wohltätiger Spenden noch einmal im Sommer 1933 restauriert werden. Doch in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Sanderslebener Synagoge geplündert und in Brand gesteckt. Die Feuerwehr schützte die Nachbarhäuser, rettete aber auch hier die brennende Synagoge nicht. Die jüdische Gemeinde Sandersleben hatte vor 1730 einen ersten Friedhof am Chausseeberg angelegt, auf dem bis 1865 bestattet wurde. Der neue Friedhof in unmittelbarer Umgebung wurde bis zum Ende der Gemeinde genutzt und ist nach 1938 verfallen. Die Kirchengemeinde begann 1987 mit Pflegearbeiten und erhält mit Schulen und der Ortschaft diesen „guten Ort“. Alljährlich gedenkt Sandersleben seiner ehemaligen Mitbürger.
- Evangelische Landeskirche Anhalts – Pressestelle
- Johannes Killyen
- Friedrichstraße 22/24, 06844 Dessau-Roßlau
- Tel. 0340 / 2526-101 – Mobil: 0178 / 5222 177 – Fax 0340 / 2526-141
- presse@kircheanhalt.de
- www.landeskirche-anhalts.de
- www.facebook.de/kircheanhalt
- www.instagram.com/kircheanhalt