„Mit Ihnen fühlen wir uns eng verbunden.“

Kirchenpräsident Karsten Wolkenhauer ist Gast bei der Landessynode der Evangelisch Lutherischen Landeskirche Sachsens. Sie tagte Wochenende im Haus der Kirchen in Dresden.

Karsten Wolkenhauer in Dresden (Foto: Luth.-Ev. Landeskirche Sachsens)

Am Samstag sprach Karsten Wolkenhauer ein Grußwort an die 80 Synodalen. Darin betonte er die enge Verbundenheit der Evangelischen Landeskirche Anhalts mit den benachbarten Landeskirchen. Hier finden Sie seine Rede


Liebe Schwestern und Brüder,
ganz herzlichen Dank für die freundliche Einladung zu Ihrer Synode. Mir war und ist es wichtig, im Gespräch mit unseren Nachbarkirchen zu bleiben, mit denen wir uns eng verbunden fühlen und eng verbunden sind.

Und mit Ihnen fühlen wir uns sehr verbunden. Ich bin sicher, dass wir ganz viel von Ihnen lernen können. Von Ihrer Frömmigkeit, von Ihren Ideen, von Ihren Prozessen, von Ihrem Ringen mit der Wirklichkeit, Ihrer Beständigkeit und ihrem Aufbruchsmut.

Ja, uns verbindet viel. Und: uns trennt viel. Die tiefe Kränkung, die Sachsen uns Anhaltern beigebracht hat, sitzt immer noch tief. Jedenfalls bei denen, die diese Kränkung nicht vergessen haben wollen und immer noch frisch halten. Das gehört ja zum Wesen der Kränkung dazu: Sie darf auf keinen Fall vergessen werden und muss wund gehalten werden.

Anhalts Kränkung

Sie alle werden sich gewiss erinnern was uns angetan wurde. Falls nicht, darf ich sie erinnern:

Die Nichtberücksichtigung der Fürsten von Anhalt 1432 als direkte Verwandten der askanischen Kurfürsten von Sachsen nach deren Aussterben 1422. Das sitzt bis heute, meinen immer noch Menschen. Um so wohltuender muss es sein, heute hier zu ihnen sprechen zu dürfen. Und ich darf ihnen sagen: das ist es auch. Ich bin schon jetzt gern bei Ihnen. Und das nicht nur, weil du, lieber Tobias, eine sehr wichtige geistliche Stimme in meinem Leben geworden bist. Ich bin jeden Tag dankbar für unserer Begegnungen.

An Herausforderungen mangelt es nicht

Liebe Synode, wir haben in Anhalt heute in einer Woche unsere Landessynode, und als kleinste evangelische Landeskirche mit derzeit nicht mehr mal 24.000 Mitgliedern mangelt es uns gewiss nicht an Herausforderungen. Zumal sich unsere landeskirchlichen Strukturen seit dem 19. Jahrhundert nur wenig verändert haben. Nun steht die Zeit steht kurz bevor, das fast das gesamte Geld, das uns anvertraut ist, das Evangelium des Herrn Jesus Christus an alle Welt zu verkündigen, dass wie dieses Geld fast ausschließlich für Gebäude, Pensionen, Gehälter und Verwaltungskosten ausgeben werden müssen.

Und dann ist da auch noch die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Anfang September 2026 als Herausforderung. Sollten sehr viele Menschen auf die Propaganda und Hassbotschaften der gesichert rechtsextremen Partei AfD hereinfallen, wird das gravierende Auswirkungen auf Kirche, Bildung, Kultur und Diakonie in Anhat haben. Gravierende! Wir trommeln derzeit die Kulturorganisationen in Anhalt zusammen und tauschen und aus, wie wir mit dieser Bedrohungslage umgehen wollen und werden. Ich erlebe dieses Miteinander als wohltuend, das Hören aufeinander, das Sorgen teilen, das um Lösungen ringen. Wir rücken sehr viel näher aneinander und sind als Landeskirche mittendrin in dieser neuen Weggeimeinschaft.

Erneuerung und Veränderung

Neulich hat ein katholischer Bruder zu mir gesagt: Wir haben das Fegefeuer, ihr habt das Grußwort. Muss man manchmal durch. Hohe Synode, lieber Tobias, für mein Grußwort hatte ich mir 5 Bibelstellen notiert, ich bin immerhin in Sachsen. Die hast alle abgeräumt, hätte ich wissen müssen. Eine ist über geblieben, und auf die möchte ich gern mit Ihnen teilen. Sie begleitet mich seit einiger Zeit. Und sehr intensiv. Es ist eine wundervolle Erfahrung, dass ich in diesem Fall nicht im Wort Gottes suchen muss nach einer passenden Aussage. Sondern dass mich ein Wort der Heiligen Schrift gefunden hat. Mir unter die Haut gefahren ist. Mir in die Knochen gefahren ist. Mitten ins Herz. Ich beginne nur langsam, dieses Bibelwort zu verstehen.

Sie kommt ganz unverdächtig daher. Und sie wird immer denen verborgen bleiben, die sich nicht erreichen lassen wollen vom Thema Erneuerung und Veränderung. Die sich nicht, wie du, lieber Tobias, unter Berufung auf den Römerbrief gesagt hast, die sich nicht durch Erneuerung ihres Sinnes prüfen wollen. Selbst prüfen wollen! Denn das ist unsere Aufgabe! Da sollen wir nicht auf Gott warten nach dem Motto: Wenn Gott will, dass ich für Erneuerung bin, dann soll er mich bitte irgendwie erneuern oder mir wenigstens einen sinnvollen Erneuerungsvorschlag erzählen. Und wenn mir das dann einleuchtet, dann ist ja immer noch Zeit, mich zu verändern.

Probiert mal was Neues

Sie kennen alle diese wunderbare Begegnung auf am See Genezareth: Berufskundige Menschen, die ein berufliches Scheitern erlebt haben, lassen sich von einem völlig berufsfremden, der von der eigenen Tätigkeit und der erfahrungsbasierten Richtigkeit des Handelns keinerlei Ahnung hat, einen Rat geben, der sich am Ende auszahlt.

Fischer, die nichts gefangen haben, bekommen einen vollkommen skurrilen Rat. Und in ihrer Verzweiflung, ihnen fällt wirklich nichts besseres mehr ein, und aus Zutrauen, die Tipps des frommen Fremden sind legendär, probieren sie einfach etwas völlig Neues aus. Daß das erfolgreich ist, ein Wunder, das lenkt leicht ab von der unfassbaren Provokation, die sich im Text verbirgt. Probiert mal was Neues, habt Mut, macht mal was anders und dann wird alles gut, das ist die Oberfläche des Wunders am See Genezareth.

Das Geheimnis verbirgt sich in einem Wort. In einem Wort, das sofort Angst auslöst. Das Schrecken verbreitet. Vollkommen angemessene Bedenken bis zur Frucht auslöst. Ein Wort, bei dem Allen klar ist: Das ist auf jeden Fall der falsche Weg, und wir können es beweisen. Wer uns zwingt, uns damit auseinander zu setzen, der ist ein Irrlehrer. Der will uns nichts Gutes. Das KANN nicht gut gehen, und ist noch nie gut gegangen. Niemand, der diesen Rat jemals befolgt haben sollte, kann damit gute Erfahrungen gemacht haben.

Fischer, die nichts fischen, sind wie … ja wie eigentlich? Wie Kirchen, die Mitglieder verlieren?

Als die Netze zu reißen beginnen

Fahrt hinaus und en ton abaton, wie es in der Septuaginta heisst, fahrt dorthin wo es tief ist. Dorthin, ihr keine Überlebenschance habt, wenn das Bott kentert, niemand von euch kann schwimmen. Dorthin, Wo eure Treibnetze für ufernahes Fischen gar nichts fangen KÖNNEN. Fahrt dorthin, wo die Alten gesagt haben: Fahrt auf keinen Fall dorthin, niemand ist von dort je wieder zurück gekehrt. Der Seegang ist unberechenbar, die Windverhältnisse, die Ausrüstung, die Erfahrung, nichts, aber auch gar nichts spricht für den Erfolg. Fahrt dorthin, wo die Angst so groß ist, dass alles in euch schreit: Ehe wir dahin fahren, fangen wir lieber wenig Fische. Notfalls hungern wir. Alles ist besser, als dorthin zu fahren, wo es tief ist.

Die Erneuerung, liebe Synode, geschieht nicht in dem Moment, als zum Glück nichts passiert und das Boot nicht kentert. Die Erneuerung geschieht nicht an dem Punkt, als die Netze zu reißen beginnen.

Sie geschieht in dem Moment, als das Angstwort „Tiefe“ seinen Schrecken verliert.

Auf ins Tiefe, liebe Geschwister. Auf dem Weg dorthin wartet Erneuerung. Und das Wunder.

Ich danke Ihnen.