Altar und Ikonografie

Collage zweier Altartafeln des Kliekener Cranach-Altars.

Die wieder zurück gekehrten Altarflügel gehören zu einem sehr qualitätvollen Altarretabel aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Der kleine rechteckig geschlossene Altarschrein war für die private Andacht bestimmt. Darauf deutet das spezielle Bildprogramm hin, so die zentrale Schreinmuttergottes oder die ungewöhnliche, sehr individuelle Auswahl der dargestellten Themen auf den Flügeln, vor allem die sonst nie aus dem zyklischen Zusammenhang gerissene Begegnung Annas und Joachims an der Goldenen Pforte.

Für die einstige Aufstellung im Burg- oder Schlossbereich, vielleicht auch in einer Familienkapelle einer größeren Kirche spricht das ausgesprochen deutlich hervorgehobene geschnitzte Wappen der Familie Isenburg/Eisenberg am Sockel der Madonnenstatue im Schrein. Die heutige Anordnung der Figuren ist nicht original. Die beiden Statuetten seitlich der Muttergottes im Schrein, angeordnet auf merkwürdig schwebenden Konsolen, wurden erst nachträglich mittels durch die Schreinrückwand getriebener Nägel in ihre Position gebracht.

Muttergottes und flankierende Skulpturen entstammen zwar stilistisch einem Atelier, gehören aber schon aus Gründen der Symmetrie und Größe nicht zusammen. Auch ikonographisch ist eine solche Zusammenstellung undenkbar. Die linke Statuette mit ihrem Szepter (sehr ähnlich dem des Verkündigungsengels auf der Außenseite des rechten Flügels) entzieht sich einer schlüssigen Deutung. Haartracht und Band könnten für einen Engel sprechen.

Den Hl. Christophorus als Pendant würde man eher in einem Gesprenge vermuten. Beide Figürchen sind vollrund gearbeitet und weisen ein bemerkenswertes Volumen auf. Der Kruzifixus, damals ein separates Altarkreuz, wurde nachträglich auf die Abdeckung des Schreins aufgeschraubt. Dass die Predella zum Schrein gehört, ist zu vermuten. Sie zeigt heute eine gemalte barocke Abendmahlsdarstellung. Die alt gefassten Skulpturen sind allesamt von vorzüglicher Qualität und entsprechen dem Niveau der Flügelbilder. Vor allem die kleinen Seitenstatuetten dürfen als Kabinettstücke spätgotischer Skulptur der Zeit um 1515 gelten.

Die gleichzeitig in der Werkstatt Lucas Cranachs entstandenen doppelseitig bemalten Altarflügel stellen an ihren Außenseiten die Verkündigung an Maria dar. Bemerkenswert erscheint der Umstand, dass, entgegen der üblichen Gepflogenheit, der Erzengel Gabriel von rechts herantritt.

An den Innenseiten ist links die Begegnung der Eltern Marias, Anna und Joachim, an der goldenen Pforte zu sehen. Beiden war von einem Engel nach langer Kinderlosigkeit die Geburt der Tochter Maria verheißen worden. Auf der rechten Seite ist dann die Geburt Mariens thematisiert. In dieser häuslichen Szene wird dargestellt, wie die Mägde das Bad für das Neugeborene vorbereiten. Auf dem linken Altarflügel kniet zu Füßen Joachims ein anbetender Ordensgeistlicher im Chorhemd mit schwarzem Brustkreuz, das ein Mitglied des Deutschen Ordens vermuten lässt. Da dieser Stifter nicht weiter durch Attribute oder Inschriften gekennzeichnet ist und eine Archivrecherche noch aussteht, ist er bisher als historische Persönlichkeit nicht zu fassen.

Ganz offensichtlich erhoffte er sich mit seiner Stiftung und der bildlichen Präsenz bei der Feier der Eucharistie eine hilfreiche Unterstützung für sein Seelenheil. In allen vier Flügelbildern weisen die Gesichter eine relativ feine Ausführung auf, während die Gewandpartien sowie Hand- und Fußbereiche eher schematisch wiedergegeben wurden. Darin spiegelt sich gängige Werkstattpraxis wider, bei der Aufgabenbereiche unterschiedlich verteilt wurden. Die originale Bildqualität wird durch spätere Übermalungen teilweise beeinträchtigt.

Die Kliekener Kirche hat ihr wichtigstes und wertvollstes Ausstattungsstück zurück erhalten. Für die Kunstgeschichte ist das Retabel ein seltenes Zeugnis der bisher sehr wenig erforschten Arbeit der frühen Cranach-Werkstatt, zu der auch vergleichbare Werke in Bernau (bei Berlin), Kade (bei Genthin) oder Neustadt/Orla zählen.

Autor: Mathias Köhler